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Fotokritik

Timm Starl
Im Spiegel des Ankleidezimmers

Rolf H. Krauss
Hölderlinstraße 3
Bilder einer Wohnung. Fotografie und Erinnerung
Marburg: Jonas, 2013
21,6 x 13,4 cm, 126 S., 1 Bl.,  23 Abb. in Farbe
Gebunden
€ 15,-

Rolf H. Krauss erzählt drei Geschichten: die seiner Kindheit, jene der elterlichen Wohnung und eine mediale. Die beiden ersten decken sich zeitlich in etwa und reichen von der Geburt des Autors 1930 bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs. Die fotogeschichtlichen Exkurse beginnen bei Adam und Eva, also bei Daguerre und Talbot und enden bei Veröffentlichungen aus des 21. Jahrhundert. Im Einzelnen geht es um Erinnerungen, die durch 16 Aufnahmen vom Anfang der 1940er Jahre, die der Vater von den Wohnräumen angefertigt hat, aufleben, und um Assoziationen, die sich bei Betrachtung der Fotografien einstellen. Generell geht es darum, inwiefern die Fotografie als „zweites Gedächtnis“ (83) neben dem gedanklichen fungiert und wie sich aus beiden Erinnerungen speisen, das eine das andere verdrängt, sie sich vermischen oder das Vergessen begünstigt wird.

 

Bilder einer Wohnung. Fotografie und Erinnerung Marburg: Jonas, 2013 Ankleidezimmer (aus dem besprochenen Band, S, 102)

 

            Die Abzüge in dem Maßen 56 x 85 mm führen durch sechs Zimmer einer großbürgerlichen Wohnung, ein Grundriss illustriert deren Lage zueinander. Krauss geht entlang der Bilder von Zimmer zu Zimmer. Er vervollständigt sie um Erlebnisse, die dort oder andernorts zu jener Zeit stattgefunden haben, sowie um Dinge, die nicht zu sehen sind, und bemerkt solche, die ihm früher nicht aufgefallen sind. Ein Tisch erinnert ihn nicht an das ehemalige Vorbild, sondern an jenen, der in der Wohnung der Großmutter zwei Stockwerke darunter gestanden hat. Auf einer Aufnahme begegnet sich der Autor selbst, nachdem er im Spiegel des Ankleidezimmers festgehalten worden ist, neben einer Frau sitzend, in der er ein ehemaliges Kindermädchen der Schwester vermutet.
            Zwischen seinen Wanderungen durch die Räume der Kindheit unternimmt Krauss Exkursionen in die Fotografiegeschichte, die ihn wiederum anregt, bestimmte Fragen an die Albumbilder zu stellen. Wenn zunächst noch die Fotografie „als das Medium der Erinnerung“ (49) den Vorrang erhält, wird bald erkannt, dass „das fotografische Bild die ursprüngliche Erinnerung total verdrängen [kann]. Es ist dann kein Werkzeug des Erinnerns, sondern eines des Vergessens.“ (87)
            Das sorgfältig angelegte Büchlein kommt ohne Höhepunkte aus, aber auch ohne weitreichende Erkenntnisse. Die Offenheit der persönlichen Bekundungen und der gleichbleibend angenehme Tonfall bringen das Vergangene, die aufkommenden Erinnerungen und Gefühle sowie die fotogeschichtlichen Erläuterungen in ein gefälliges Nebeneinander. Es ist eine andere Art zu erzählen, individuelle und mediale Geschichte zu verbinden, auf neuen Wegen sich der eigenen Vergangenheit und jener des Mediums zu nähern.

August 2013

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© Timm Starl 2013

PDF - 91kb

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