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Fotokritik

 

Timm Starl
„Förderdividende“
Von der Fotografie in Banken und Museen

„Wenn Bankhäuser als Förderer von Kunst in Erscheinung treten,
dann regt sich der Verdacht, dass sie das in durchaus eigennütziger Weise tun.“
(DG Bank, Der Vorstand, 1998)

„Denn die DZ Bank und das Städel Museum haben
das gleiche Selbstverständnis [...]“
(DZ Bank, Der Vorstand, 2008)

Ausstellungen

„REAL – Fotografien aus der Sammlung der DZ Bank“
Frankfurt am Main: Städel Museum, 18. Juni – 21. September 2008

„Fotografis. Collection Reloaded“
Wien, Bank Austria Kunstforum: 11. September – 29. Oktober 2008

Kataloge

REAL
Konzept: Fotografie / Concept: Photography
hrsg. von Luminita Sabau
Ausstellungskatalog Städel Museum
deutsch/englisch
Ostfildern: Hatje Cantz, 2008
30,5 x 24,7 cm, 185 S., 2 Bl., 61 Abb. in Farbe
Leinen, Schutzumschlag
€ 39,-

Fotografis collection reloaded
hrsg. von Ingried Brugger
Ausstellungskatalog Bank Austria Kunstforum
o.O.: Jung und Jung, 2008
25 : 20 cm, 128 S., 91 Abb., meist in Farbe
broschiert
€ 29,-

Eine Bank ist dazu da, Profite zu machen. Investiert sie in Kunst und sammelt diese, besteht die Aussicht auf Gewinne, sofern die Kurse der Autoren und Autorinnen und ihrer Werke steigen. Solche Gewinne können selbstverständlich erst realisiert werden, wenn die Sammlung veräußert wird. Bis dahin muss sich die Bank mit Vorteilen begnügen, die nicht in barer Münze zu Buche schlagen. Entweder es werden Stücke großzügig verliehen oder einschlägige Veranstaltungen auf andere Weise unterstützt, was eine Erwähnung in Ausstellungen und Katalogen garantiert und den Sponsor als Wohltäter dastehen lässt. Solche Einnahmen nennen die Vorstände von Bankhäusern „Förderdividende“ ( Real , 9). Dem eigenartig ähnlichen, möglicherweise aber typischen Gebahren zweier Vertreter dieser Spezies der Finanzwelt, die sich Fotosammlungen zugelegt haben, will ich im Folgenden nachgehen.
           Die DG Bank in Frankfurt am Main hat 1993 mit dem Sammeln von Fotografien begonnen. Als Leiterin fungierte Luminita Sabau, die sich beraten ließ. Zunächst übernahm Peter Weiermair diesen Part, was ihm reichlich Sponsorengeld für seine eigenen Vorhaben sicherte. Mit der von ihm konzipierten, groß angelegten Schau „Prospect 96“ wurden zwei Häuser bespielt, die Schirn Kunsthalle und der Frankfurter Kunstverein, den Weiermair damals leitete. Der Vorstand der Bank verfasste das Grußwort im Katalog und vergaß nicht auf den Hinweis: „Zu den Künstlerinnen und Künstlern, die auf der PROSPECT 96 vertreten sind, zählen viele, von denen die DG BANK in den vergangenen Jahren Arbeiten für ihre Sammlung erworben hat.“ (6) Artig bedankte sich der Kurator zwei Seiten weiter bei der Bank, die „mit großem Enthusiasmus durch ihr Sponsorship die Ausstellung für das Jahr 1996 ermöglicht hat.“ (8) Die Geschäftsverbindung zwischen beiden blieb ebenso unerwähnt wie jene zwischen der Bank und Jean-Christophe Ammann, der das Museum für Moderne Kunst leitete und bald die Rolle Weiermairs als Berater übernahm.
            1998 trat die DG Bank mit einer eigenen Schau an die Öffentlichkeit, die mit „Das Versprechen der Fotografie“ betitelt war, wobei alle Welt rätselte, was es mit dem doppeldeutigen Titel auf sich hatte. Inzwischen war die Sammlung auf etwa 3.000 Arbeiten angewachsen, von denen solche von über 100 Fotokünstlern auf die Reise geschickt wurden. Die Tournee begann in Tokio, ging über Hannover nach Paris, von dort nach Berlin und endete schließlich in der Schirn Kunsthalle Frankfurt. Es wurden keine Kosten gescheut, um die „Corporate Collection“ bekannt zu machen. Ein opulenter Katalog versammelte prominente Autoren, Boris Groys, Rosalind Krauss und Paul Virilio hatten Essays geliefert. Auch die Künstlerliste mit bekannten und in den 1990er Jahren gängigen Namen bezeugte, dass die Bank aufmerksam den Markt beobachtet und sich auf diesem großzügig bedient hatte.
           In der Folge wurde es ruhig um die Sammlung, bis 2001 die Meldung durch die Presse ging, die DZ Bank, wie sie nach einer Fusion hieß, wolle sich von ihren Schätzen trennen. Doch diesen Brocken von schätzungsweise 22 Millionen Euro wollte niemand schlucken, und in der Vorstandsetage musste man erkennen, dass die Realisierung von Mehrwert nicht so einfach vonstatten ging wie dessen Propagierung. Also besann man sich wieder auf die Rolle des Gönners, suchte nach publikumswirksamen Foren und machte dem Frankfurter Städel Museum und seinem Leiter Max Hollein ein Angebot, das dieser nicht ablehnen konnte. Ihm würden „über 200 bedeutende Werke [...] zur Eröffnung des Erweiterungsbaus übergeben“ (Presseinformation, 17. Juni 2008), wobei die Vereinbarung nicht publiziert wurde und also offen blieb, was man unter „übergeben“ verstehen sollte. Weil die Bank 2008 125 Jahre alt geworden war, feierte man die eigene Großzügigkeit mit einer Ausstellung im Städel, für die Luminita Sabau als Kuratorin zeichnete und die unter dem Titel „REAL“ auftrat.
           Ausgewählt wurde aus dem Fundus der Sammlung der DZ Bank, die inzwischen auf 6.000 Werke von ungefähr 550 Bildautoren und -autorinnen angewachsen war, sowie aus dem für das Städel Museum vorgesehenen Konvolut. Allerdings hat man die jeweilige Provenienz nicht verraten. Die 68 Exponate sollten nach dem „Grußwort“ des Vorstands im Katalog ein „Panorama auf die zurückliegenden Jahre unserer Sammlungstätigkeit präsentieren“ (8). Es ginge nicht „um eine Schau sogenannter ‘Highlights‘“, ließ die Presseabteilung wissen, was eine „Vielzahl von Arbeiten junger Künstlerinnen und Künstler“ unterstreiche. Allerdings galt offensichtlich als Voraussetzung, dass diese Exemplare entsprechend große Formate aufweisen mussten, um neben den großen Namen Platz zu finden. Auch die banalen Entwürfe von Wolfgang Tillmanns, der Kitsch von Bettina Rheims und die neuromantischen Entwürfe von Axel Hütte verbanden mit den Hervorbringungen von William Eggleston, Louise Lawler, David Hockney, Gordon Matta-Clark und Jeff Wall ausschließlich ihre Maße. Ob als Einzelbild oder im Block, den altehrwürdigen Räumen des Museums schienen sichtlich nur der große Abzug oder die große Fläche angemessen. Auch im Katalog sind mehr als 30 Arbeiten jeweils über eine Doppelseite ausgebreitet und auf diese Weise zugleich verunstaltet. Hinter der monumentalen Gebärde verbarg sich die konzeptionelle Kargheit einer Sammlung, die sich nach den jeweiligen Trends des Fotomarktes gerichtet hatte, aber in ihrer Gesamtheit auf diesem nicht zu reüssieren vermochte. Die Aneinanderreihung von Größen erzeugt bloß Langeweile.

 

REAL FOTOGRAFIS

 

            Etwas früher engagierte sich auf dem gleichen Sektor die Österreichische Länderbank mit Sitz in Wien. Deren Vorstand erlag den Anregungen von Anna Auer, die eine private Fotogalerie ohne Erfolg betrieben hatte und neue Betätigungsfelder suchte. 1975 wurden die ersten Ankäufe getätigt, im Jahr darauf der neue Geschäftszweig unter dem Namen „Fotografis“ der Presse vorgestellt. Die Mitwirkung von Auer umfasste die Beratung bei Ankäufen, wobei die Auktionskataloge von Sotheby's und Christie's die wesentlichen Instrumente der Orientierung abgaben. Weil das Budget nur wenig Spielraum ließ, begnügte man sich vielfach mit zweitrangigen Werken, gedruckten Versionen oder späteren Abzügen – wenn nur der Autor oder die Autorin berühmt und in einem fotogeschichtlichem Werk vertreten war. Zwar wurde die Sammlung als historische konzipiert, doch zugleich sollte die aktuelle österreichische Szene präsent sein. Für solche Ankäufe standen keine Kataloge oder andere Veröffentlichungen als Auskunftsmittel zur Verfügung, die eine Auswahl erleichtert hätten, weshalb neben anspruchsvollen Arbeiten auch allerhand Belangloses den Weg in die Sammlung fand. Dann und wann wurden Symposien veranstaltet, an denen als Referenten die bekannten Figuren der internationalen Fotowelt auftraten. Für die Veröffentlichungen der Vorträge fand man eine eigene Form: Sie wurden meist nach Tonbandprotokollen angefertigt und von Anna Auer nach Gutdünken gekürzt.
            1986 wollte die Bank vorführen, was sie geleistet hatte: „Es ist in zehn Jahren gelungen, mit der Sammlung FOTOGRAFIS mehr als 150 Jahre Geschichte der Fotografie aufzuarbeiten.“ (Pressetext). Mit Ausstellung und Katalog war in mehrfacher Hinsicht das Ende der Geschichte erreicht, denn bereits im Jahr darauf wurde auf die Beratertätigkeit von Anna Auer verzichtet und der Vertrag aufgelöst. Nun verfiel die Sammlung in einen Schlummer, bis im Sommer 2008 ein Rückblick inszeniert wurde. Die Bank hatte inzwischen den Namen gewechselt, das Kunstforum Länderbank, in dem die Sammlung Fotografis ihren Platz gefunden hatte, war zum Bank Austria Kunstforum mutiert. Gezeigt wurden „270 Highlights“ ausgewählt aus einer „der frühesten und herausragendsten Foto-Kollektionen in Europa“ (5), wie der Katalog vollmundig verkündete. Dazu gehört die Sammlung mit Sicherheit nicht, auch wenn einige bemerkenswerte Schöpfungen der Fotografiegeschichte enthalten sind. Vielmehr vermittelt das Werkverzeichnis den Eindruck einer Hitliste der 1970er/80er Jahre. Weil der Veranstalter nicht sicher war, inwieweit eine solche Rückschau auf frühere Besonderheiten Interesse wecken könnte, lieh er sich einige Werke aus zeitgenössischer Produktion. Wen wundert's, dass es sich um elf großformatige Abzüge von Gursky, Welling, Hütte und den üblichen Größen handelte. Neben den historischen Stücken wirkten sie entsprechend deplaziert.
           2009 gehen die 396 Stücke der Sammlung als Dauerleihgabe an das Museum der Moderne in Salzburg, das bereits zwei Fotosammlungen beherbergt. Neben den 17.000 Werken zur zeitgenössischen österreichischen Fotokunst ab etwa 1950 werden die rund 300 historischen Abzüge aus der Sammlung Fotografis ein kümmerliches Dasein fristen, zumal im Haus wenig fotohistorische Kompetenz vorhanden ist. So wie man sich fragt, was das Städel Museum mit den 215 Gaben der DZ Bank anfangen wird. Denn mit solch schmalen Konvoluten mag man vielleicht alle fünf Jahre eine kleine Ausstellung arrangieren, zumal sie inhaltlich nicht in die Bestände des jeweiligen Museums zu integrieren sind. Und auch im Städel wird man für eine dermaßen kleine Kollektion keine Fachleute engagiert haben.
           Worum geht's also? Haben die Finanzinstitute die Lust am Kultursponsoring in Form des Sammelns verloren? Setzen die Museen neuerdings auf den Geschmack der Banker, weil für eigene Ankäufe die Mittel fehlen? Geht es darum, dass der eine die Lagerkosten reduziert, während der andere über Gustostückerl verfügt, die er nicht zu leihen braucht? Genügt beiden, sich mit den Federn, sprich: Namen, des jeweils anderen zu schmücken? Oder reicht schon der Presserummel, den der Wechsel des Standorts auslöst?

Die beiden Abbildungen zeigen Folder zu den Ausstellungen in Frankfurt am Main und Wien.

Erwähnte Kataloge
Prospect 96. Photographie in der Gegenwartskunst , Ausstellungskatalog Frankfurter Kunstverein, Schirn Kunsthalle Frankfurt, ohne Ortsangabe: Edition Stemmle, 1996
Klaus Albrecht Schröder, Fotografis. Meisterwerke internationaler Fotografie der Sammlung Fotografis Länderbank , Hrsg. Österreichische Länderbank, Ausstellungskatalog, Wien 1986
Das Versprechen der Fotografie. Die Sammlung der DG Bank , hrsg. von Luminita Sabau unter Mitarbeit von Iris Cramer und Petra Kirchberg, Begleitbuch zur Ausstellung, München, London, New York: Prestel, 1998

Jänner 2009

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© Timm Starl 2009

PDF - 224kb

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